Page 8 - Das grafische Werk
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einen Blick zu erfassen und dies eben nicht. Wie ihre        großen Schwunges ebenso einschätzen können, wie
                           Bildwirkung ist auch der Bildinhalt scheinbar einfach.       die leise Instabilität des Gefüges, wenn ein Teil wie
                           Zeichenhafte Formen, die an Elementarzeichen erin-           lose in ihm schwebend erscheint. Man muß der Infra-
                           nern, sind so zueinander und ineinander gefügt, daß          gestellung ebenso gewahr werden, wie der Harmonie
                           man zunächst meint, sie seien zufällig gefunden und          und ihrer tatsächlichen oder scheinbaren Infragestel-
                           dann zugeordnet. Tatsächlich aber gibt es geheime            lung. Man muß der intendierten Abstraktion auf die
                           Korrespondenzen der Linien und Flächen und was auf           Spur kommen, wie dem künstlerischen Prinzip der
                           den ersten Blick so lapidar wirkt, ist in Wirklichkeit       Reihung. Aber nicht der Reihung desselben, sondern
                           sorgsam austariert. Die Parallelität der Linien im Relief    der Reihung des Variierten. Alle Elemente des Relief
                           „Yong“ ist nur scheinbar, Millimeterweise, nahezu            „Trine“ sind dieselben, sie sind aber alle gegenein-
                           unmerklich weichen sie voneinander ab und erhal-             ander leise verschoben, so daß diesmal dieselbe und
                           ten dadurch ihre Spannung. Das Auge wird auf fast            doch nicht dieselbe Figur das Relief ausmacht, son-
                           verschmitzte Weise irregeführt. Die große Senkrechte         dern drei Individuelle Konstellationen mit gleichem
                           im Mittelelement das Relief „Ada“ ist, betrachtet man        Bestand. Es könnte der Eindruck entstehen, als sei das
                           sie genau, keine durchgezogene Linie, sondern es sind        alles nur sehr trickreich, ausgeklügelt und konstruiert.
                           zwei verschiedene Begrenzungen einer Fläche. Diese           Davor und vor der Sterilität aber bewahrt der Künstler
                           Elemente haben die Magie von Zeichen, die wir zwar           die eingebrachte Komponente des Initiierens, der Un-
                           nicht entschlüsseln können, die uns dennoch vertraut         sicherheit darüber, ob das Vorgestellte denn wirklich
                           sind, so als seien wir ihnen schon begegnet und als re-      so definitiv sei.
                           deten sie in einer Sprache zu uns, deren Vokabeln wir
                           nur lernen müßten. Dennoch haben die Kunstwerke              Der Betrachter wird sich bei der Beschäftigung mit
                           keine Sendung und soweit wir sehen, würden sie uns,          diesen Arbeiten erinnert fühlen an verschiedene
                           kennten wir die Vokabeln, nicht mehr sagen, als wir          Künstler der Vergangenheit, die Vergleichbares ge-
                           ohnehin sehen. Einsichtiges also und Geheimnisvolles,        macht haben. Labuda verleugnet nicht und will auch
                           Vertrautes und Fremdes.                                      nicht, daß seine Arbeiten dies tun, daß ein Verfertiger
                                                                                        von Objekten dieser Art auf den Schultern anderer
                           Man muß also sehr genau hinsehen, wenn man die-              steht. Sie behaupten nicht, daß man 1990 wieder
                           sen Arbeiten und ihrer Absicht auf die Spur kommen           bei Adam und Eva beginnen müsse, wenn es andere
                           will. Man muß den Strich, die Unterbrechung eines            vor uns gab. Der Reiz der Reliefs liegt demnach nicht






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