Page 126 - Win Labuda Bildermacher
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Magnifizenz, Spektabilitäten, Freunde,
                                                       Ich bedanke mich dafür, an diesem, mir liebgewordenen Ort,
                                                       dem Institut für Medizingeschichte- und Wissenschaftsfor-
                                                       schung der Universität zu Lübeck aus Anlass des siebzigsten
                                                       Geburtstags von Manfred Oehmichen, dem weltweit respek-
                                                       tierten Wissenschaftler und dem persönlichen Freund, vortra-
                                                       gen zu dürfen. Die Tatsache, dass Manfred Oehmichen sich
                                                       nach seiner Emeritierung im Jahre 2005 ganz der Malerei
                                                       gewidmet hat, stand denn auch Pate bei der Themenwahl
                                                       dieses Vortrags.

           Einführung                                  Zunächst werde ich einige Worte zur geistesgeschichtlichen
                                                       Entwicklung des Poesiebegriffs sagen und diesen dem Begriff
                                                       Prosa gegenüberstellen. Dann werde ich vor dem Hintergrund
                                                       einer bis ins Unerträgliche gewachsenen Begriffsvielfalt für die
                                                       Einordnung malerischer und kunstgrafischer Werke (Tab. 1, 2)
                                                       ein vereinfachtes System vorschlagen. Dieses besteht aus
                                                       lediglich sechs Kategorien. Mit dessen Hilfe lassen sich die
                                                       Werke der Malerei und der Kunstgrafik übersichtlich einordnen
                                                       und beschreiben. Auf der ersten Ebene eines solchen Ord-
                                                       nungsgefüges sollen die drei Begriffe gegenständlich, male-
                                                       risch-abstrakt und konstruktiv-abstrakt Anwendung finden.
                                                       Ergänzend dazu sollen auf der zweiten Ebene die Begriffe
                                                       poetisch und prosaisch übernommen und angewendet werden.
                                                       Bevor ich zum Schluß komme, werde ich kurz auf die Befruch-
           Abb. 1 Platon,                              tung zwischen Malerei und dichterischer Poesie eingehen. In
           428 – 348 v. Chr.
                                                       meinem Nachwort will ich zum Sinngehalt vereinfachter Ord-
                                                       nungssysteme in der bildenen Kunst Stellung nehmen.

           Was ist Poesie?                             Die diversen Enzyklopädien beziehen den Begriff auf das
                                                       gesprochene, das geschriebene Wort. Andererseits ist Poesie
                                                       im Verständnis des deutschsprachigen Menschen eben nicht
                                                       allein das, was heute mit Lyrik bezeichnet wird. Poesie ist
                                                       von dem griechischen Poiesis entlehnt. Dies wird von Platon
                                                       (Abb. 1) in seiner Schrift „Gastmahl“ [1] allgemein als das
                                                       Hervorbringen von etwas aus dem Nicht-Anwesenden in das
                                                       Anwesende bezeichnet. Die folgende Zitatübersetzung aus
                                                       dem Altgriechischen stammt von Martin Heidegger (Abb. 2),
                                                       1889-1976:

                                                       „Jede Veranlassung für das, was immer aus dem Nicht-Anwe-
                                                       senden über- und vorgeht in das Anwesende, ist poiesis, ist
           Abb. 2 Martin Heideg-                       Her-vor-bringen.“ [2]
           ger, 1889 - 1976
                                                       Daraus lässt sich folgern, dass mit poiesis nicht allein die
                                                       Kunst der Rede oder der Dichtung gemeint gewesen sein
                                                       konnte, sondern eher das zur Bereicherung des Vorhandenen
                                                       Hervorgebrachte ganz allgemein. Und dazu gehörten in der
                                                       damaligen Kunst Griechenlands auch die Dichtung, die Skulp-
                                                       tur und die Malerei. In diesem Sinne soll mein Vortrag Ihnen
                                                       einige Gedanken zum Wesen der Kunst, insbesondere der
                                                       Malerei nahe bringen.

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