Page 129 - Win Labuda Bildermacher
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Information, Bestätigung und Verheißung.

                                                       Alle Bilder entstehen in mehr oder weniger bewusster Absicht
                                                       der Befriedigung einer oder mehrerer dieser Erwartungskate-
                                                       gorien. Die erfolgreichen Maler der Vergangenheit haben diese
                                                       instinktiv bedient. Dabei müssen die Kategorien als Polaritäten
                                                       gesehen werden.

                                                       Information und Leere - bedeuten auf der einen Seite die visu-
                                                       elle Übertragung verständlicher oder auch rätselhafter Inhalte,
                                                       andererseits das Fortlassen von Bildelementen im Sinne einer
                                                       Konzentration auf selektive Informationsschwerpunkte.

                                                       Bestätigung und Versagung - bedeuten die bildhafte Vertiefung
                                                       bekannter Fakten, persönlicher Erkenntnisse und Glaubensin-
                                                       halte, oder auch die Infragestellung derselben.
                                                       Verheißung und Hoffnungslosigkeit - verbinden sich mit
                                                       mimetischen oder zeichenhaften Inhalten, welche erstrebte
                                                       Zustände und Illusionen verheißen oder dieselben in Frage
                                                       stellen.
                                                       Betrachten wir beispielsweise solche, scheinbar unterschied-
                                                       lichen Werke wie die Rembrandtschen Landschaften und das
                                                       bildnerische Schaffen von Sam Francis, Paul Jenkins und Joan
                                                       Miro, so bemerken wir über alle Unterschiede hinweg, deren
                                                       gemeinsame künstlerische Intention auf der Basis des Prinzips
                                                       Verheißung von Glücksmomenten der Betrachtung. Auf der
                                                       gleichen Ebene, aber eben am anderen Ende dieser Polari-
                                                       tät erleben wir nun auch Francis Bacon, Alfred Hrdlicka und
                                                       Käthe Kollwitz, teilweise auch Francisco de Goya, die das Glück
                                                       infrage stellen.

           Orientierung                                Eine solche Situation ruft geradezu nach Orientierung. Ein
                                                       mögliches, ja sogar nahe liegendes Ordnungssystem für die
                                                       Werke der Malerei blieb meines Wissens bisher unbeach-
                                                       tet. Das ist die Unterscheidung in poetische und prosaische
                                                       Malerei. Dieser Fingerzeig Hegels wurde bisher offenbar selten
                                                       reflektiert. [5] Um den Gedanken mit gebührender Dynamik zu
                                                       versehen, müsste der Begriff Poesie eine weiter gefaßte Defini-
                                                       tion erfahren, welche alle bildenden Künste und vielleicht auch
                                                       die Musik mit einschließt. Ich versuche also eine Definition in
                                                       eben diesem Sinne:

                                                          Poesie ist eine Ausdrucksform der realitäts-abgewandten,
                                                          schöpferischen Intention und der Innerlichkeit auf dem
                                                          Grunde erzählerischen Verlautbarens. Sie bewahrt, beseelt
                                                          und beglückt.

                                                          Prosa bedeutet im Gegensatz zur Poesie die eher
                                                          schlichte, auf sachliche oder geistige Inhalte bezogene
                                                          Kommunikation ohne die für die Poesie charakteristische
                                                          Beseeltheit und Beglückung.

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