Page 26 - Win Labuda Bildermacher
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Mauerzeichnungen                            Im Gegensatz zu den Farbaufträgen auf die Wand, die von
                                                       meinem Vater als abstrakte Mauerbilder gesehen wurden, von
                                                       den Ausführenden jedoch nicht in dieser Weise vorbestimmt
                                                       waren, gibt es auch Wandbilder, die bereits in ihrem Ursprung
                                                       eine künstlerische Dimension zeigen. Die Bilder F 042 und
                                                       F 120 stellen anschaulich dar, wie sich ein Sprayer auf das
                                                       künstlerische Wechselspiel mit dem Malgrund Mauer einlässt.

                                                       Der Kopf des Strichmännchens in F 042 ist abgetrennt vom
                                                       Rumpf und schwebt umgekehrt auf der Wand. Der Rumpf ist
                                                       darunter als angeschnittene Wellenlinie zu erkennen. Rechts
                                                       neben dem Kopf sind, neben einem Sprühbild, welches den
                                                       Schauspieler Cary Grant zeigt, die Worte „Les Justes“ (die
                                                       Gerechten) zu lesen. Hier betrachten wir vermutlich das Werk
                                                       eines Graffitikünstlers, der bereits eine eigene Handschrift und
                                                       somit einen eigenen Wiedererkennungswert besitzt.
                                                       Auf ganz andere Weise wirkt dagegen F 120 auf uns. Hier
                                                       wurde mit einigen wenigen Punkten und schwungvollen Stri-
                                                       chen ein Gesicht in Kinderart an die Wand gemalt. Ausgangs-
                                                       punkt der Zeichnung ist ein kreisförmiges, schwarzes Element,
                                                       welches ein ganz kleines Stück aus der Wand herausragt.
                                                       Vielleicht ist es ein alter Klingelknopf. Dieses Element, welches
                                                       sich humorvoll in das Gesamtbild fügt, bildet das rechte Auge
                                                       des Porträts. Der Zeichner benutzte offensichtlich ein vor-
                                                       handenes Element der Mauer als Ausgangsbasis für sein Bild,
                                                       integrierte es und gab damit sowohl der Mauer als auch der
                                                       Zeichnung einen völlig eigenen Charakter. Diese drei Beispiele,
                                                       wie auch viele andere zeichnerische und bildnerische Ele-
                                                       mente, die fotografisch aufgezeichnet sind, offenbaren uns die
                                                       inspirierende Kraft, welche eine Mauer auf einen künstlerisch
                                                       gestaltenden Menschen haben kann, das Wechselspiel, welches
                                                       stattfinden kann zwischen funktionaler Fläche und grafisch
                                                       orientierter Kreativität.

           Zeichen und Symbole                         Im Folgenden wenden wir uns von den malerischen und struk-
                                                       turellen Dimensionen der Mauer den gemalten oder gezeich-
                                                       neten Botschaften zu, welche durch Zeichen und Symbole
                                                       dargestellt werden. Wir finden Bilder wie F 011, F 098 oder
                                                       F 001, die uns bekannte und vertraute Symbole zeigen.

                                                       In F 011 sehen wir einen weißen, rissigen Maueruntergrund
                                                       auf den mit dunkler, verlaufender Farbe das Venussymbol
                                                       unregelmäßig und ungenau mit einem Pinsel aufgebracht
                                                       wurde. Man kann mit diesem Symbol vieles verbinden;
                                                       Gedanken, die sich aber alle innerhalb eines Themenkreises
                                                       bewegen. Es ist außer dem Symbol für die Venus im astrologi-
                                                       schen Sinne außerdem das Zeichen für „weiblich“ und wurde in
                                                       den 60er Jahren zum Symbol für Frauenbewegung und Eman-
                                                       zipation. Das Erscheinungsbild dieses Symbols macht uns
                                                       einen schon früher angesprochenen Aspekt der Graffiti wieder
                                                       bewusst: Jede Wandbeschriftung wird in einem Akt der Illegali-
                                                       tät vollzogen. Deswegen muss alles, was an Wände gemalt

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