Page 21 - Win Labuda Bildermacher
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Abb. 11 geheilte Mauer, Paris, 1996, F 070 Abb. 12 geheilte Wand, Paris, 1998, F 075
wird das Augenmerk auf die Vergänglichkeit und Alterung der
Materie gelenkt.
Der schleichende Zerfall der Wand, ihre absehbare Auflö-
sung ist ganz offenbar nicht von Menschenhand herbeige-
führt, sondern er ist Zeichen von Zeit, die hier ihre Spuren
hinterlässt.
Dass der Mensch in einen o. a. Prozess eingreift und eine
Verhinderung des totalen Zerfalls bewerkstelligen möchte,
wird in den Bildern F 070 und F 075 offenbar. F 075 erscheint
uns als Pendant zu F 019. Hier sehen wir eine graue, struktu-
rierte Fläche auf der ein heller, abgegrenzter Streifen von links
oben nach rechts unten verläuft. Man kann erkennen, dass ein
einstmals vorhandener Riss mit heller Verputzmasse ausgefüllt
wurde, als wäre die Verletzung bei F 019 behoben worden,
um die Geschlossenheit der Oberfläche wiederherzustellen.
Das rechte Drittel des Bildes wird durch eine senkrechte Linie
abgeteilt, die man entweder als Mauerkante oder aber auch
als nachträglich angebrachten Verputz deuten kann. Weite-
res geometrisches Element ist ein kleines Quadrat, das sich
an der Schnittstelle zwischen senkrechter Linie und diagonal
verlaufendem Band positioniert. Die Ausschnitthaftigkeit des
Bildes wird durch ein weiteres, angeschnittenes Quadrat am
oberen Bildrand betont, welches sich oberhalb des kleinen
Quadrats befindet. Bei diesem Bild sehen wir im Gegensatz zu
F 019 einen linearen Aufbau der Bildelemente. Die organischen
Formen, welche beim Zerfall von Materie entstehen, werden
hier durch den Menschen zurückgeführt in die technisch-geo-
metrische Form.
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