Page 40 - Win Labuda Bildermacher
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Abb. 38 Décollage V, Rom, 2001, F 146 Abb. 39 Weiße Übermalung II, Paris, 1999, F 104
fleckt. Das ist der Beginn ihrer Metamorphose. Von nun an ist
sie den Einwirkungen der Zeit und des Menschen ausgesetzt,
sie gewinnt ihre eigene Patina, ihre Struktur, ihr eigenes
Antlitz. Jeder Fotograf ist auf der Suche nach Wahrheit und vor
diesem Hintergrund nach einer Aussage zu der ihn umgeben-
den Welt. Der Eine findet sie durch die Darstellung der weiten
Landschaft; andere widmen sich aus gleichem Grunde dem
menschlichen Körper, den Pflanzen und Blumen oder etwa der
Unendlichkeit des Sternenhimmels.
Der Mauerfotograf findet seine Aussage durch die Dokumen-
tation oft absichtslos entstandener Farbflächen, Bilder und
Zeichen in einem von ihm bestimmten bildnerischen Zusam-
menhang. Sein Schaffensakt ist der einer Nobilitierung unbe-
achteter Bildflächen zum bleibenden Werk. Am Anfang des
künstlerischen Prozesses der Mauerfotografie in schwarz-weiß
steht das Auge des Fotografen, gleich der Linse seiner Kamera,
welche zumeist nur einen kleinen, seinem Umfeld enthobenen
Ausschnitt abbildet. Allein durch die Auswahl eines bestimm-
ten Abschnittes erfährt die gewählte Fläche ihre Wandlung in
ein neues strukturelles und formales Sein. An zweiter Stelle
dieses Abstrahierungsprozesses steht die Reduktion der echten
Erscheinungsfarbe auf die Schattierungen zwischen Schwarz
und Weiß. Endlich auf das Papier gebracht, wird die abgebil-
dete Fläche von der ihr zugrunde liegenden Dinglichkeit befreit
und so auf die ihr eigenen Strukturen und Formen reduziert.
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