Page 91 - Win Labuda Bildermacher
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bleiben die Arbeiten im Tageslicht nie gleich. Sie sind so leben-
dig wie der Einfall des Lichts, der sie zum Leben erweckt.
Serie der Raum 1998 wandte ich mich erstmals der Skulptur zu. Hier dominiert
der Zeittunnel die gedankliche Richtung, und ich habe bisher
keine anderen Wege auf dem Gebiet der Skulptur beschritten,
wenn man von meinen Reliefs der achtziger Jahre absieht. Die
Durchdringung dieses Themas ist in der möglichen Ausgestal-
tung verschiedener Varianten des Zeittunnels jedoch bisher
nicht annähernd erschöpft, so daß noch erheblicher Raum für
neue Gestaltungen besteht. Skulptur ist mir sehr nahe. Habe
ich mich doch Jahrzehnte lang mit dem Werk Eduardo Chillidas
befasst, ihn zusammen mit meiner Frau Yuko in San Sebastian
besucht und seine Freundschaft gesucht. In meiner Affinität
zum Material wende ich mich innerlich gleichermaßen der
Bronze wie auch dem Stahl zu. Allein die Beschwerlichkeiten
des geistigen (und materiellen) Umgangs mit den gewaltigen
Massen von Stahl oder Beton wie Chillida es vermochte, sie
innerlich zu bewegen, lassen mich immer wieder zurückschre-
cken vor solch heroischen Akten der Materialbewältigung.
Abgesehen von Chillida hat mich einige Jahrzehnte lang das
Werk Henry Moores beeindruckt und nebenbei auch Hermann
No und die wunderbaren Handwerker seiner Bildgießerei in
Berlin, welche die meisten dieser Meisterwerke der Skulptur in
Bronze gegossen haben.
Skulpturen und Objekte lassen sich wegen ihrer Dreidimensi-
onalität oft leichter noch als Tafelbilder oder grafische Blätter,
im Rahmen poetischer Wandlung und Verdichtun, mit den
Inhalten der Gegenwartskunst belegen. Dies insbesondere
dann, wenn Gedanken, Bräuche oder Mythen in die Gestaltung
der Form mit eingeflossen sind. So habe ich auf der Art-Mul-
tiple-Kunstausstellung in Düsseldorf 1998 Thomas Gaulin und
einigen Freunden meinen Zeittunnel vorgestellt. Der Zeittunnel
ist ein Kubus aus Holz, Metall oder Stein, welcher, die Gestalt
eines Hohl-Kubus zeigt. In dessen Vorderseite befinden sich
abstandsgleich angeordnete, vertikal eingebrachte Längsspal-
ten. In eine (oder mehrere) derselben ist ein gerolltes, sorg-
fältig gefaltetes und mit einem Hanffaden umwickeltes Papier
hineingesteckt. Das in Düsseldorf gezeigte Exemplar des
Tunnels aus Buchenholz ist an vier Außenseiten rot lackiert.
Lediglich die beiden Flächen, welche Durchblick durch den
Tunnel gestatten, zeigen das unbearbeitete Material Holz. Mit
dieser Wahl der Farbigkeit ergibt sich eine gewisse Spannung
zwischen dem unbearbeiteten Material an den Enden und den
glatten Farbflächen. So entsteht der Eindruck, der Zeittunnel
wäre Teilstück, herausgetrennt aus einem viel längeren, viel-
leicht unendlich langen Tunnel.
Im Juli 2001, bei der Bildgießerei Noack in Berlin, entstand
aus dunkler Bronze mein Zeittunnel III, liebevoll von Meister-
hand gegossen. Gedanklicher Hintergrund des Zeittunnels sind
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