Page 93 - Win Labuda Bildermacher
P. 93
die Ordnungshelfer des Ablaufs vom Sein zum Nichtsein. Darin
liegt die ihnen eigene Poesie.
Impulsformen kennzeichnen ähnlich den Zeitskalen, ein wie-
derkehrendes Geschehen. Sie unterscheiden sich jedoch von
den Zeitskalen durch ihre qualitative Aussage von der quanti-
tativen Aussage der Zeitskalen.
Über das Arbeiten an großen Zyklen Die Arbeit an einem Bilder- oder Skulpturenzyklus unter-
scheidet sich von derjenigen an Einzelwerken ganz erheblich.
Bedarf es im Vorwege doch einer längeren geistigen Auseinan-
dersetzung mit einem bestimmten Thema und seinen mögli-
chen Variationen, um in Zyklen zu arbeiten. Der Zyklus muss
bis zu einem gewissen Grade vollendet sein, bevor man ihn
veröffentlicht und in jeder einzelnen Arbeit muss die Zugehö-
rigkeit zum Zyklus von vorne herein angelegt sein. Dies wird
normalerweise durch einen Formenkanon hoher Wiedererkenn-
barkeit unterstützt.
In meinen Zyklen habe ich jedoch bewusst auf den engeren
Rahmen, welchen ein begrenzter Formenkanon nun einmal
mit sich bringt, verzichtet. Das war nicht schwer; denn bei
einem fotografischen Bilderzyklus ist die Wiedererkennbarkeit
der Handschrift eines bestimmten Fotografen ohnehin nicht
Abb. 7 Zeitskala 4, 1998, ZS 004 aus der Serie „die Zeit“ gleichermaßen gegeben, wie in der Malerei. Ausnahmen sind
Holzschnitt vielleicht die oeuvres einiger bekannter Fotografen.
Ich mag es, unterschiedliche Ikonographien zu benutzen,
mich hinter verschiedenen Masken zu verstecken, um für
mein künstlerisches Anliegen zu werben. Das Wesentliche ist
mir nicht der gemeinsame Formenkanon, sondern es ist die
Gemeinsamkeit in der Aussage meiner verschiedenen Arbei-
ten. Dies gilt auch für die Grafik und Skulptur. Ich will nicht,
dass man sagt: „sieh mal, das ist von Labuda, der fotogra-
fiert immer Seelandschaften“. Das Arbeiten in abgewandelten
Ikonographien befreit mich von dieser Oberflächlichkeit des
kurzweiligen Betrachters. Der muss sich bis zu einem gewissen
Grade in meine Bilder hineinarbeiten, wenn er denn diese mit
einem Gewinn betrachten will. Und wenn er dann einige Serien
sorgsam angesehen hat, dann - und erst dann werden ihm
vielleicht die einzelnen Teile zum Ganzen.
Eduardo Chillida, der große Meister der abstrakten, europä-
ischen Skulptur hat mir einmal gesagt, „mein ganzes Werk
ist am Ende ein Zyklus und der handelt vom Kampf um den
Raum.“ Ich werde Chillidas künstlerische Dimension vielleicht
nicht erreichen, aber um ihm nach seinem Tode in einem ima-
ginären Sinne nahe zu sein, möchte ich sagen: „Mein ganzes
Werk ist am Ende ein Zyklus und der handelt vom Kampf um
die Zeit.“
Abb. 8 Zeitskala 7, 1998, ZS 007 aus der Serie „die Zeit“, Das Arbeiten an mehreren Zyklen und Serien zugleich, erlaubt
Holzschnitt es mir, jeder Eingebung des Augenblicks unbeschwert nachzu-
93