Page 98 - Win Labuda Bildermacher
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Bilder an der Wand sind heute öfter als zuvor fotografischen
Ursprungs. Fotografische Bilder lassen sich in solche klas-
sieren, die vornehmlich aus sachlichem und solche, die aus
künstlerischem Grund entstanden sind. Die Ersteren berei-
chern uns durch ihren informativen Gehalt über Sachen,
Personen oder zu Erinnerungen. Die künstlerisch begründeten
Bilder wirken auf uns durch ihre Verknüpfung mit Gedanken,
Empfindungen und Seinszuständen, also durch den geistig-
seelischen Widerhall, den sie in uns bewirken. Im vorliegenden
Aufsatz beschäftigen wir uns ausschließlich mit dieser letzteren
Gruppe. Bilder für die Wand zu machen ist etwas Anderes als
für die Zeitung oder für einen Buchverlag. Sie bestimmen in
einem Raum mehr als alle anderen Elemente, die ihm eigene
Kultur. Die Bilder sollen ihre Energie jahrelang in diese Umge-
bung hinein verströmen; oftmals sollen sie auch Ikonen sein
und gleichzeitig Zeugnis ablegen von der geistig-emotionalen
Qualität ihres Besitzers.
Gibt es eine Fotokunst? Die Fotografie ist zur wesentlichen Grundlage des Bilderange-
bots unserer Zeit geworden. Sie unterscheidet sich von Malerei
und Zeichnung vor Allem durch ihren vermeintlichen Wahr-
heitsanspruch. Nur die Fotografie kann natürliches Abbild sein
weil nur sie im Moment, im Bruchteil einer Sekunde nämlich,
das gewünschte Abbild produziert. Sie ist Momentbild und
Gegenwartsbild zugleich. Aber das fotografische Bild lässt sich
„fälschen“. Mit den modernen Methoden der elektronischen
Bildbearbeitung lassen sich Fotografien in Bildwerke verwan-
deln, die nicht mehr nur der Realität entsprechen sondern
gleichermaßen der Phantasie des Fotografen, obgleich sie die
Wirklichkeit wiederzugeben scheinen.
Genau hier liegt eine der großen Chancen der Fotografie,
nämlich nicht lediglich Abbild zu sein. Insbesondere durch die
Verbindung von Kamera und Computer ist es dem Fotografen
heute möglich, eigene bildnerische Ideen zu entwickeln und
zu verwirklichen. Fotografie ist ein technisches Verfahren zur
Speicherung von Abbildungen der sichtbaren Welt mit Hilfe
eines Apparates. Im Rahmen des Speicherungsprozesses
kommt es zu einem oder zwei Wandlungsschritten, welche für
die Fotografie, wollte man sie denn als Kunstform einordnen,
von großer Bedeutung sind:
A - die Wandlung der drei-dimensionalen Wahrnehmung in ein
zweidimensionales Abbild - und - möglicherweise:
B - die Wandlung des farbigen Bildes in ein Grauwertebild.
Durch diesen Unterschied eines fotografischen Bildes zum
reinen Abbild der Natur entsteht ein Maß an Artifizialität,
welche eine der Grundlagen jeder Kunst ist. So kann denn
bereits das monochrom wiedergegebene Abbild der Natur als
Vorprodukt künstlerischer Gestaltung angesehen werden. Der
Fotograf verfügt über diverse Möglichkeiten, das Bild in seinem
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