Page 103 - Win Labuda Bildermacher
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Bilder zumeist auf digitalen Speichermedien. Nicht einmal
                                                       ein ästhetisches Sehvermögen muss der Fotografierende in
                                                       unserer Zeit noch haben, um ein präsentables Bild zu machen.
                                                       Moderne Digitalkameras haben bereits eine „automatische
                                                       Gesichtserkennungsfunktion“.
                                                       Nachdem sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts auch in der
                                                       Museumskunst eine antiästhetische Haltung durchgesetzt
                                                       hat, genügt oftmals schon das triviale Abbild, um allein durch
                                                       Rahmung zum vermeintlichen Kunst-gegenstand zu werden.
                                                       Daraus ergeben sich Konsequenzen für die gesamte Foto-
                                                       grafie, aber auch für die gesamte bildende Kunst: Wurde
                                                       das 20. Jahrhundert von Walter Benjamin zum Zeitalter der
                                                       technischen Reproduzierbarkeit von Kunst erklärt, so erleben
                                                       wir z.Zt. das 21. Jahr-hundert konsequenter Weise als Zeit-
                                                       alter von deren Unselektierbarkeit. Das ist die Folge der
                                                       täglich wachsenden Bilderflut. Das einzelne Bild gerät mit
                                                       hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr in den Fokus der
                                                       entscheidenden Betrachter und so wird es auch nicht mehr
                                                       ausgewählt, nicht mehr gezeigt, nicht mehr gekauft und nicht
                                                       mehr gesammelt. Selbst wenn nur jedes Zehntausendste Bild
                                                       einem künstlerischen Anspruch gerecht würde und wir hätten
                                                       nur zwei Sekunden an Betrachtungszeit eingeplant, dann
                                                       bräuchte ein einzelner Betrachter doch an jedem Tag maximal
                                                       28 Stunden um alle diese jeden Tag entstehenden Werke der
                                                       Fotokunst zu betrachten. Unmengen großartiger Bildwerke
                                                       verschwinden so in dem Strom des digitalen Bildermülls.
                                                       Brauchen wir sie? Nein, denn wir können bereits die Masse der
                                                       archivierten Bilder nicht mehr sichten. Bilder sind allgemein
                                                       gesehen schon heute nicht mehr bewahrenswertes Kultur-
                                                       gut sondern Konsumprodukt von inhärent volatilem Charak-
                                                       ter. Ursprüngliche Chancengleichheit - égalite - endet in der
                                                       Nivellierung und am Ende in der Unkenntlichwerdung jeglicher
                                                       Qualität. Einzelne Diamanten im gigantischen Berg kleiner
                                                       Steinchen, wer will sie finden? Apokalyptischer Ausblick - nicht
                                                       nur für den Bereich der Fotografie. Nachdem es also selbst
                                                       im Rahmen moderner Informationsstechniken wie Internet
                                                       und DVD nicht mehr möglich ist, die Gesamtheit der fotogra-
                                                       fischen Bildproduktion von heute zu überblicken, und das gilt
                                                       im weitesten Sinne auch für die anderen bildenden Künste,
                                                       sind wir angewiesen auf die Institutionen der Selektion. Das
                                                       sind die Museen, die Kunst-Professoren, die Galeristen, die
                                                       Buchverlage und Zeitschriften, denen eine immer größere
                                                       Bedeutung im Hinblick auf die Verbreitung der bildenden Kunst
                                                       zukommt. Entscheidender Nachteil dieser Entwicklung ist aber,
                                                       dass nun der Kunst ferne, oftmals wirtschaftliche oder politi-
                                                       sche Selektionsmerkmale, Parteiinteressen und Proporzdenken
                                                       die Künstlerauswahl mit bestimmen und in der Konsequenz die
                                                       Kunst zur Schimäre machen.







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