Page 101 - Win Labuda Bildermacher
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Anerkennung nicht versagen. Im Prinzip ist es auch unwichtig,
wie ein Bildwerk, das uns beeindruckt, entstanden ist. Wichtig
ist, wie das Bild beim Betrachter ankommt. Eins der Argu-
mente, welche oftmals gegen die Fotografie als Kunstgattung
hervorgebracht werden, ist das ihres vermeintlich mangelnden
Originalcharakters.
Die Fotografie sei wenn überhaupt, eine Reproduktionskunst
heißt es und Gemälde seien solitäre Produkte künstlerischen
Schaffens. Dabei wird jedoch gelegentlich vergessen, dass es
das Bild von van Goghs Kornfeld mit Krähen oder Vermeers
Mädchen mit dem Perlengehänge zwar nur einmal als Origi-
nal gibt aber dass diese Bilder zum Gebrauch als Poster oder
als Buchillustration millionenfach reproduziert werden - ganz
abgesehen von Dietz-Repliken und den Produkten moderner
chinesischer Bilderfabriken. Die meisten Ölbilder, Aquarelle
und Zeichnungen sind uns eben nicht als Originale sondern
aus Büchern zugänglich und das gilt genauso für die Werke
der Fotografie. Insofern besteht zwischen den beiden Gattun-
gen zumindest in der Rezeptionspraxis kaum ein Unterschied.
Offenbar ist diese Art der Verbreitung von Kunst auch voll-
kommen akzeptiert. Wenn aber ein Fotograf für eine Auflage
keine Auflagenbegrenzung einführt oder eine Auflage von
mehr als 25 angibt, dann rümpfen Galeristen und Sammler
gern die Nase. Der Begriff Kunst beinhaltet eben ein gewisses
Maß an Wertvorstellung. Werthaltigkeit resultiert andererseits
in der Kunst bekanntermaßen aus Nachfrage bei begrenztem
Angebot. Nur wenn der Kunstgegenstand von einer gewissen
Anzahl möglicher Käufer gewollt ist, wird er für jedermann
erkennbar zum Wertgegenstand. Diese Erkenntnis findet bei-
spielsweise ihre kommerzielle Ausprägung in der Begrenzung
der Auflage von Druckgrafiken und Fotografien bei gleichzei-
tiger Durchführung von Werbemaßnahmen dafür. Hier zeigt
sich: Unter den angeführten Umständen macht nicht allein die
künstlerische Leistung ein Bild zum Kunstwerk sondern auch
die Aura, mit der es umgeben, um nicht zu sagen umworben
wird.
Diese Aura wird von den Bildermachern, von den Galeris-
ten aber auch von den Museen gepflegt. Sie bestimmen, in
welchen Künstler investiert wird und in welchen nicht. Allein
dies sind bereits wesentliche Selektionsmerkmale und Steue-
rungsmechanismen für die Lenkung von Kunstströmen.
Das fotografische Wandbild steht nicht unangefochten da.
Es muss sich auf der einen Seite dem Wettbewerb mit dem
Gemälde, der Zeichnung und der Grafik stellen und auf der
anderen Seite dem Wettbewerb mit dem Poster. Alsbald wird
ein weiterer Wettbewerber hinzutreten: Der Flachbildschirm
an der Wand. Mit dem wird es möglich sein, im Wohnzimmer
oder auch im Museum das elektronische Bild in den schönsten
Leuchtfarben oder in Pastell zu präsentieren und zwar wenn
gewünscht, jede Stunde oder sogar jede Minute ein anderes.
Heute jedoch sieht insbesondere der traditionsbewusste
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