Page 108 - Win Labuda Bildermacher
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Denken, im Netzwerk der Kommunikation vornimmt. Was
ich in den Händen halte, ist dann oft nur der kleine Teil einer
komplexen Handlung, die vollzogen worden ist und die als
Gesamtes zu beurteilen ist. Was ich damit auch sagen will:
Unser Standpunkt ist in Bewegung geraten, oft findet sich
die Qualität gar nicht mehr da, wo wir sie vermuten. Und wir
erkennen sie nur, wenn wir uns selbst bewegen, wenn wir
nicht mit der Sicherheit des Kenners, ruhig und sakrosankt,
vor Bildern stehen und Urteile abgeben.“
Diese Antwort macht einmal mehr deutlich, dass die Kunstre-
zeption heute einen grundsätzlichen Wandel durchmacht. Nicht
mehr das einzelne Werk bestimmt in Zukunft die Kunster-
fahrung und damit auch eine mögliche Kaufentscheidung,
sondern das Eingebundensein des einzelnen Werkes in ein
geistig übergeordnetes System, sprich ein Konzept und seine
hierarchische Position innerhalb der gesamten Werksarchitek-
tur. Dies bedingt mithin im Vergleich zu früher eine vertiefte
Kenntnis des den Werken zugrunde liegenden Gedankenguts.
Es liegt am einzelnen Fotografen alles dafür zu tun, damit das
dem Werk zugrunde liegende Gedankengut dem Betrachter
zugänglich gemacht wird.
Zusammenfassung Durch die Verbindung von Fotografie und Computer ist es
möglich geworden, virtuelle Realitäten zu schaffen, welche
es dem Fotografen weit mehr als zuvor ermöglichen, kreativ-
bildnerisch tätig zu sein. Dabei bleiben Realität und Vorstel-
lung die Eckpfeiler fotografischer Bildgestaltung. In der Kunst
haben Vorgaben im Sinne eines dominanten Zeitstils ihre
Relevanz verloren. Kunst und so auch Fotokunst ist das, was
die Mehrheit der Betrachter dafür hält. Unterschiedliche Stile
existieren friedlich nebeneinander. Diese liberale Haltung des
Kunstmarktes hat es der Fotografie ermöglicht, sich vorsich-
tig einzureihen in die etablierten Künste. In der Fotografie
ist erstmalig in einer bildnerischen Technik die Gleichheit von
Milliarden Menschen erreicht: „Jeder ist ein Künstler“, um mit
Josef Beuys zu sprechen. Die Fotografie ist die bisher einzige
Massenbewegung an der sich das Beuyssche Postulat beweisen
könnte. Aber die Folge ist eine unübersehbare Bilderflut. Das
einzelne fotografische Bild ist unselektierbar geworden. Damit
kommt den Institutionen der Selektion, den Museen, den Pro-
fessoren und den Händlern eine erhöhte Bedeutung zu.
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