Page 70 - Win Labuda Bildermacher
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Abb. 14 Alter Mann, Son- Abb. 2 Bild 02 aus „Nachtmahl“, Filzstift- Abb. 3 Blickkontakt, 1981, FP 022 aus der Serie „Menschen
ne und Kind, 1973, FP 044, Zeichnung, 2007 heute“
aus der Serie „Menschen
heute“
Gesprächspartner, Kontemplations- und Rückzugsmöglichkeit,
Erklärungshilfe und nicht zuletzt Partner im Witz. Meine erste
intensive Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Schaf-
fen meines Vaters geschah dann jedoch nicht im Reich seiner
eigenen Zeichnung sondern im Verlauf eines Aufsatzes, den ich
über seine fotografische Serie „Bilder und Zeichen“ verfasste.
In dieser Serie bildet er Bilder und Zeichnungen ab, die er als
Wandskizzen auf den Mauern der europäischen Metropolen
entdeckt hat.
Wende ich mich heute, mit dem Focus auf die Homogenität im
künstlerischen Schaffen meines Vaters, dieser Serie zu, dann
werden die Parallelen zu seinem eigenen zeichnerischen Werk
allerdings allzu deutlich. Formal gesehen unterscheiden sich
die Wandzeichnungen und Malereien, welche er in diesen Foto-
grafien festhält natürlich vollends von seinem eigenen zeich-
nerischen Werk. Hinzu kommt, dass es sich bei „Bilder und
Zeichnungen“ nicht nur um Bilder und Zeichnungen sondern
auch um Worte handelt, um Liebesgeständnisse, Verfluchun-
gen oder Überlegungen, die im Moment des Heraufdämmerns
schon festgehalten werden und nicht nur festgehalten sondern
auch mitgeteilt werden müssen. Es sind die heimlichen
Geständnisse und Bilder von Unbekannten, die im Über-
schwang eines Gefühls in aller Schnelle ein Zeichen oder eine
Figur anonym an der Wand verewigen. Im Geiste jedoch sind
diese Unbekannten unverkennbare Verwandte meines Vaters.
Sie zeichnen ohne lange zu komponieren, schnell und unprä-
tentiös holen sie eine Form oder ein Wort aus ihrem Innersten
und geben es der Öffentlichkeit preis. Sie wollen sich mitteilen,
wollen den Anderen einen Teil ihres Daseins mit auf den Weg
geben. Es scheint, als wollten sie sagen „Halte inne in Deiner
Eile und teile für einen kurzen Moment nur, die Freude an
meiner kleinen Kunst.“
Aber auch die fotografische Serie „Menschen heute“ findet
ihren Widerpart in den Zeichnungen meines Vaters, sind doch
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