Page 66 - Win Labuda Bildermacher
P. 66

Persönliches                                Denke ich an meine Kindheit und Jugend, so war diese Zeit
                                                       immer verbunden mit Musik. Die unendlich vielen klassischen
                                                       Konzerte, die ich mit meinen Eltern besuchte, die Stimme von
                                                       Ella Fitzgerald, zu der ich mit meiner Mutter tanzte. Chopin,
                                                       Brahms und schließlich Johann Sebastian Bach, von Yuko
                                                       Labuda in so ergreifender Weise am Klavier vorgetragen.
                                                       Beeindruckend waren auch die vielen außergewöhnlichen,
                                                       musikalischen Talente, die ich zuhause kennen lernen durfte
                                                       und von denen wir heute Abend einige hören werden. Immer
                                                       war ich von Musik umgeben. Daneben jedoch gab es Klänge,
                                                       die gleichsam als Sphärengesang über dieser Musik schwebten
                                                       und das waren die Melodien meines Vaters. Jenseits von Bach
                                                       auf der Querflöte und Jazz auf dem Flügelhorn hat mein Vater
                                                       in seinem Innersten immer eine Melodie gehabt, die nur ihm
                                                       gehört und die Grundlage unzähliger Variationen zu einem
                                                       gleichen Thema geworden ist. Sei es auf der Gitarre am Ess-
                                                       tisch oder am Klavier, nach einem langen Abend mit Büchern
                                                       und Gesprächen, am Morgen nach dem Frühstück auf einer
                                                       Batterie unzähliger Trommeln. Immer wenn mein Vater ein
                                                       neues der unzähligen Instrumente, die er sein eigen nennen
                                                       darf, ausprobierte, oder auf einer langen oder kurzen Auto-
                                                       fahrt vor sich hin gesungen oder gesummt hat; es ist immer
                                                       seine ureigenste Melodie, die da erklingt – welche mit den
                                                       Jahrzehnten auch zu meiner Eigenen geworden ist. Die Melodie
                                                       drückt so vieles von den Eigenschaften aus, die er für mich
                                                       hat und immer hatte: Gelassenheit und Kreativität, Lebenslust
                                                       und Witz, Empathie und Herzensbildung. Ich kann die Melodie
                                                       nur mit diesen Worten beschreiben; müsste ich sie nachsingen
                                                       oder gar niederschreiben, so wäre ich vollkommen hilflos. Aber
                                                       wenn ich sie höre, dann ist es so, als würde ich mit einer Flöte
                                                       zu meinem innersten Sein gelockt, um dort unbeschwert zu
                                                       rasten.


                                                       Bei den Überlegungen wie dieser Vortrag zu gestalten sei,
                                                       ging mir plötzlich mein Vater durch den Kopf und ich wusste
                                                       nun ganz genau, worüber ich gerne reden würde: Über das
                                                       spezifische Prägemuster von Künstlern; dass es für einen
                                                       medial schaffenden Künstler eigentlich keine Rolle spielt, in
                                                       welchem Medium er seine Kunst verewigt. Es wird wohl immer
                                                       ein Medium geben, welches seine künstlerische Stimme am
                                                       deutlichsten macht, aber hörbar wird sie immer sein, egal ob
                                                       es Granit, Eisen oder Papier ist mit dem er an die Oberfläche
                                                       bringt, was in ihm schwingt.

           Vier Künstler mit vielgestaltigem Werk      Nachfolgend werde ich Auszüge aus dem bildnerischen Werk
                                                       von vier ausgewählten Künstlern zeigen, bei denen sich
                                                       deutliche Übereinstimmungen zwischen den unterschiedlichen
                                                       Werkteilen nachweisen lassen:



           66
   61   62   63   64   65   66   67   68   69   70   71