Page 63 - Win Labuda Bildermacher
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auch die Übertragung feinster Farb-Übergänge und nuancierter
Schatten gehen hier mit ein. Den Effekt habe ich besonders bei
der Betrachtung der Bilder von Jean-Baptiste Huyn erlebt, der
seine Porträts mit dem 120 mm Makroobjektiv seiner Hasselblad
aufnimmt.
Mehr als die Feinstruktur hat mich bisher jedoch, wie eingangs
bereits erwähnt, der Einsatz von Bildunschärfe interessiert. In
meinen Skulpturfotografien arbeite ich oftmals mit bewusst
eingesetzter Unschärfe im Sinne verwischter Bildkonturen. So
versuche ich, den Eindruck von Bewegung hervorzurufen. In
anderen Bildern hingegen benutze ich die Bildunschärfe um die
Sicht des Betrachters auf die von mir als Wesentlich erachteten
Bildinhalte zu lenken.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ganz vehement
deiner zuvor erwähnten Klassifikation anschließen, welche
nach poetischer und wiedererkennender Bildverarbeitung des
Betrachters unterscheidet. Eine poetische Bildverarbeitung des
Betrachters setzt bei diesem naturgemäß eine visuell geprägte
Sinnlichkeit voraus. Hat er diese nicht, so wird sich sein freund-
liches Interesse auf die Wiedererkennbarkeit der abgebildeten
Objekte, den Aufnahmeort und die Detailschärfe richten. Dies
sind jedoch keine künstlerischen sondern technische Bildas-
pekte. Feininger teilt die fotografisch Interessierten in Fotogra-
fen und Fototechniker ein. Letztere sind jedoch als Publikum für
den Fotografen ungeeignet. Der Fotograf will dem Betrachter
eine Botschaft vermitteln. Der Techniker findet seine Befriedi-
gung in einer optimalen Nutzung des Systems der Bildaufzeich-
nung. Diese unterschiedliche Sehweise ist leider immer wieder
die Quelle von Missverständnissen und Enttäuschungen.
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