Page 62 - Win Labuda Bildermacher
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Abb. 14 Skulpturfoto 10, nach A. Giacometti „Der Wald“, 2003, Abb. 15 Skulpturfoto 14, nach G. Kolbe „Tänzerinnen-Brunnen“,
FS 010 1981, FS 015
Sammler erstklassiges Format aufweist, von bisher unbekann-
ten Fotografen.
NL - In deinem fotografischen Werk finden sich auch
Bilder mit bewusst eingesetzter Unschärfe. Inwieweit
siehst du Bildschärfe als künstlerisches Mittel an und
wie beeinflusst sie die Bildaussage.
WL - Der Sinn meiner fotografischen Arbeit liegt ausschließ-
lich darin, dem Betrachter meine gedankliche und emotio-
nale Welt nahe zu bringen. Mein Ziel ist also das Gleiche, wie
das eines Dichters, nur eben auf der visuellen Ebene. Wenn
Bildschärfe die Voraussetzung für das Verständnis eines Bildes
ist, dann benutze ich die bekannten technischen Mittel, um
scharfe Bilder anzufertigen. Normalerweise bin ich jedoch
darum bemüht, die Schärfe meiner Bilder so einzurichten, dass
sie nicht zum wesentlichen Betrachtungsanreiz wird. In dem
Moment wo sich ein Betrachter meinen Bildern nähert und
diese im Sehabstand eines Diamantenprüfers fokussiert, weiß
ich, dass meine Inhalte ihn emotional nicht erreicht haben.
Besonders hohe Bildschärfe ist also zunächst einmal ein
technisches Merkmal, welches für die Übertragung mancher
Bildinhalte förderlich, für andere hingegen nicht im guten
Sinne bildwirksam ist. Allerdings: In der sichtbar gemachten
Feinstruktur eines Objektes oder eines Antlitz offenbart sich
etwas, das dem Betrachter in der normalen Darstellung ver-
borgen bleibt. Das hat scheinbar etwas mit einer gesteigerten
„Objektwahrheit“ oder auch mit den sichtbaren Spuren des
Alterungsprozesses zu tun, welche wir unbewusst als Informa-
tionsgewinn wahrnehmen. Diese Feinstruktur lässt sich jedoch
nicht allein durch eine gesteigerte Bildschärfe erzielen sondern
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