Page 57 - Win Labuda Bildermacher
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WL - Die Reise ist wichtiger Teil meines Lebens und unserer
fotografischen Arbeit. Sie ist Seins- und Findungsabschnitt
zugleich. Während einer Reise verlasse ich die fest gefügten
Strukturen meiner heimatlichen Umgebung und lasse es zu,
dass sich Neues in mir vorbereitet oder erkennbar wird. Das
kann ich dann ungehindert von den Zwängen des heimatlichen
Alltags reflektieren. Ich bereite meine Reisen in einer Weise
vor, dass sie mich zu den Plätzen führen, um die ich mich im
Vorfeld geistig bemüht habe. Dort eingetroffen, weiß ich in
etwa, was mich erwartet, und der Rest ist dann fotografische
Routine und mit zunehmendem Alter natürlich auch körperli-
che Herausforderung.
Ich reise fast nie allein. Meine Frau Yuko bereitet unsere
Reisen technisch vor. Sie ist ein geborenes Planungsgenie,
und so kann ich mich ganz auf die fotografische Aufgabe
konzentrieren. Diese ist oftmals mit langem Warten auf die
bildgerechte Balance zwischen Himmel und Landschaft ver-
bunden. Ich ruhe während einer Reise außer bei den zumeist
ausgedehnten Abendmahlzeiten nie aus und bin in Wahrheit
rastloser als zuhause. Es ist mir wichtig, zu den Menschen des
Landes, in dem wir uns gerade aufhalten, Kontakt zu finden.
Ich suche das Gespräch mit dem Taxifahrer, dem Kellner und
dem Frisör und bilde mir ein, dass ich besser fotografiere,
wenn ich den Ort, in dem wir uns gerade befinden, für die Zeit
des dort Verweilens zu unserer Heimat mache.
Dabei ist die Anwesenheit meiner Frau als Symbolfigur des
neu gefundenen Ortes von großer Bedeutung. Ich studiere in
jedem Ort, den ich bereise, egal wohin wir reisen, die Immo-
bilienangebote, weil ich stets in Erwägung ziehe, dass wir uns
dort als Zweitwohnsitz niederlassen. Das ist Teil des Rituals,
das ich brauche, um mich dem Land, in dem wir uns gerade
befinden, und seinen Menschen nahe zu fühlen und mich
fotografisch zu behaupten. Ein Gefühl der Fremdheit schwächt
mich bei meiner Aufgabe und lässt meine Bilder weniger vital
Abb. 8 Yuko und Win Labuda, 2004 erscheinen.
NL - Ist die Reise auch immer eine Suche oder steht für
dich schon zu Beginn einer Reise fest, welchen Motiven
und Serien du dich widmen wirst? Ist deine Arbeits-
weise also eher dynamisch oder eher konzeptuell?
WL - Auf einer Reise unterscheide ich meine fotografische
Produktion nach zwei Kategorien: Von primärem Interesse sind
solche Aufnahmen, welche unter das Konzept unserer Reise
fallen. Das wären beispielsweise auf der schottischen Insel
Lewis die Megalithsteine von Callanish zu fotografieren.
Das Konzept unserer Reisen legen wir bereits etwa sechs
Monate vor deren Beginn fest. Daneben finde ich jedoch eine
Reihe interessanter Objekte, welche zu keinem meiner derzeit
bearbeiteten Themen passen und mich dennoch faszinieren.
Dann fotografiere ich sie trotzdem, eben aus purer Freude an
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