Page 60 - Win Labuda Bildermacher
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nicht offensichtlich, irgendwo tief in seiner inneren Welt ange-
                                                       siedelt und endet dann stets im transzendenten Raum. Seine
                                                       Menschen und Objekte sind eingebunden in einen unerklärli-
                                                       chen Seinsfluss, welcher nicht im direkten Sinne „die Sprache
                                                       Gottes“ ist, wie bei Ernst Haas Bildern der Schöpfung, aber
                                                       dennoch von beredtem, ja unvergesslichem Ausdruck.

                                                       Aus ethischer Sicht haben mich bis heute Eugene Smith und
                                                       Sebastiao Salgado tief beeindruckt. Smiths Minamata-Serie
                                                       und das persönliche Schicksal, welches er mit diesen Arbeiten
                                                       auf sich genommen hat, ist bis heute, wie ich denke, helden-
                                                       haftes Vorbild für jeden ehrenhaften Bildjournalisten. Salgado
                                                       hat uns mit seinen Büchern das Elend der Emigrantenströme
                                                       unserer Zeit nahe gebracht und in diesem Zusammenhang
                                                       schönste Bilder ursprünglicher Menschlichkeit geschaffen.

           Abb. 11 Calanish Stone Circle II, 2004, FM 041 aus der   Drei Jahrzehnte lang habe ich mich intensiv mit der Land-
           Serie „Heimat der Götter“                   schaftsfotografie beschäftigt und während all dieser Jahre war
                                                       mein unerschütterliches Vorbild Paul Caponigro, der große
                                                       amerikanische Landschaftsfotograf. Er vermochte es, eine
                                                       auf den ersten Blick vollkommen uninteressante Landschaft
                                                       so zu fotografieren, dass aus ihr der Zauber der Schöpfung
                                                       erwächst, den zu erkennen und wiederzugeben, nur wahrhaft
                                                       großen Fotografen vorbehalten ist.
                                                       Meine Skulpturfotografie war in ihrer Entstehungsgeschichte
                                                       sicher beeinflusst von Edward Steichens früher Aufnahme
                                                       „Rodins Denkmal für Balzac“. Die Aufnahme war für mich in
                                                       ihrer impressionistischen Ausprägung unbewusste Anregung
                                                       für viele Arbeiten im Rahmen dieses Genre. Steichen hat zwar
                                                       keine Verwischtechnik eingesetzt, aber er hat mich doch indi-
                                                       rekt dazu angeregt, es auf diese Weise zu versuchen.
                                                       Erst spät in meinem Leben lernte ich das fotografische Werk
                                                       des großen amerikanischen Fotografen Harry Callahan kennen,
                                                       welches für mich in Teilen vorbildlich in seiner Konzentration
                                                       auf wenige Bildinhalte ist und auf diese Weise fast minimalis-
                                                       tisch wirkt. Ich fühle mich wohl in der geistigen Gesellschaft
                                                       der Fotografen, die ich hier angeführt habe, von denen ich
                                                       lernen konnte, die zu meinen Wurzeln geworden sind. Daher
                                                       habe ich die Antwort auf diese Frage bewusst in solcher
                                                       Ausführlichkeit gegeben, auch um damit meinen Dank zu
                                                       bekunden.
                                                       NL - Wir sehen uns heute im Kunstraum einer Überzahl
                                                       von großformatiger Fotografie gegenüber. In wie weit
                                                       ist deiner Meinung nach das Format Sinn oder gar Inhalt
                                                       stiftend und in wie weit spielt für deine Fotografie das
                                                       Format eine Rolle?

                                                       WL - Ich habe unterbewusst ein Leben lang danach gestrebt,
                                                       möglichst großformatige Bilder zu zeigen. Ich war aber selten
           Abb. 12 Stonehenge III, 2002, FM 023 aus der Serie
           „Heimat der Götter“                         bereit, die Mühen zu ertragen, welche das Mitführen einer so

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