Page 59 - Win Labuda Bildermacher
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würde jede Auflagenlimitierung abgeschafft. Fotografen wie
Ansel Adams, Caponigro, Cartier-Bresson oder Pentti Sammal-
lahti haben doch diesem gelegentlichen Ansinnen des Marktes
widerstanden und trotzdem gut verkauft. Oftmals betrügt sich
der Käufer eines limitierten Blattes doch selbst. Immer dann
nämlich, wenn die verkaufte Auflage weit unter der Limitie-
rung bleibt. Dies ist nicht selten der Fall und sollte zu Denken
geben. Ich arbeite gerne mit den modernsten, technischen
Mitteln die verfügbar sind. Die Digitalfotografie hat der Foto-
grafie zuvor undenkbare Möglichkeiten eröffnet. Sie ist zudem
umweltneutral, wie auch die Pigment-Druckverfahren, die ich
ausschließlich einsetze.
NL - In deiner Serie Bilder und Zeichen ist das Spiel
mit dem Kunstzitat sehr deutlich. In wie weit nahmen
Kunstströmungen und Künstler, Musiker und Literaten
oder gar Wissenschaftler Einfluss auf dein fotografi-
sches Schaffen?
WL - Ich weiß oftmals nicht sofort, ob mich das Werk eines
bekannten Künstlers beeinflusst hat, aber viel später entdecke
ich es dann manchmal doch:
Am Anfang meiner fotografischen Gehversuche war ich sehr
von Cartier-Bresson beeinflusst, und ich denke, das sieht man
in meiner Serie Menschen heute. Das heißt nicht, dass ich
genau hätte fotografieren wollen wie Cartier-Bresson es tat.
Er visiert gewissermaßen den Menschen im Kulminationspunkt
eines Geschehensablaufs. Jemand hat einmal gesagt, Cartier-
Bresson habe die Mentalität eines Bogenschützen gehabt. Das
halte ich für eine gute Beschreibung des Phänomens Cartier-
Bresson. Meine Vorstellung der Fotografie von Menschen ist
so, dass ich einen Geschehensablauf weder vordergründig her-
ausstellen noch vermeiden will, sondern den Menschen in der
„Würde des Augenblicks“, also gerne in einer nicht gestellten,
wenngleich gemäldefähigen Pose fotografieren möchte. Dabei
will ich es unbedingt vermeiden, Zufälliges, Unbedachtes oder
Momentanes als Dauerhaftes im fotografischen Bild zu fixieren.
Ich habe deswegen eine Abneigung gegenüber dem, was man
unter dem Begriff „close-to-life-photography“ kennt.
Ernst Haas, der geniale österreichische Fotograf, hat mir
gezeigt, wie man in großen Zyklen arbeiten kann. Sein Buch
die Schöpfung war das zweite Fotobuch, das ich besaß und
stets in Ehren gehalten habe. Haas war so etwas wie ein
Virtuose der Farbfotografie mit der Kleinbildkamera. Er konnte
alles, und er tat es immer ein bisschen besser als Andere. Das
ist eine gute Basis für große Leistungen - besonders in der
Fotografie. Eine besondere Beziehung verbindet mich seit den
siebziger Jahren mit dem Werk von Herbert List. Vor allem
bin ich fasziniert von dem emotionalen Fluss, der seine Bilder
kennzeichnet. Dies wird besonders deutlich in Plaster masks
I, Santorin 1937 oder auch in Felice Caseratis Studio, Turin
Abb. 10 Waribari, Strichradierung, 1990 1949. Die Quelle des Fließens in seinen Bildern ist, für mich
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