Page 154 - Win Labuda Bildermacher
P. 154

die Emotionen schwinden und deren Urgründe sind nicht
                                                       von Dauer: Der Kunstkritiker Jürgen Raap schreibt in seinem
                                                       Aufsatz „Übergangscharakter - Wandlungen der Schönheitside-
                                                       ale in der bürgerlichen Gesellschaft.“ (Kunstforum Juli 2008):
                                                       „Sie (die Schönheit) verkörpert nichts Absolutes und nichts
                                                       Ewiges sondern sie ist zeitlich und epochal gebunden, und
                                                       demnach ist auch jede ästhetische Form, sei sie floral-orga-
                                                       nisch oder eckig-konstruktiv, an ihr jeweiliges, zeitgeschichtli-
                                                       ches Erscheinungsbild gekoppelt.“

                                                       Ist Mikroskopie nun Kunst? Meine Antwort: Mit keinem tech-
                                                       nischen System läßt sich per se Kunst anfertigen, auch nicht
                                                       mit dem Malerpinsel. Die Produkte des Malens, des Zeichnens,
                                                       des Modellierens und Fotografierens sind nur dann Kunst,
                                                       wenn Menschen einzelne, hervorgebrachte Werke als Kunst
           Abb. 21 Kristallbilder 2, 1980, EK 09, © Win Labuda  erkennen. Dies wird immer nur dann der Fall sein, wenn sie
                                                       uns emotional und geistig berühren. Was uns bleibt, ist also
                                                       das Mysterium von Kunst und damit auch unsere latente
                                                       Unsicherheit.

           Ein nachdenkliches Nachwort                 Wenn ich an die Mikroskopie allgemein denke, so ist es stets
                                                       die Position des Voyeurs, die ich dabei einzunehmen gezwun-
                                                       gen bin, hat doch die Natur unser Auge für eine genaue
                                                       Betrachtung der Mikrowelt, wie übrigens auch der Makrowelt,
                                                       nicht vorgesehen. Wir haben uns also mit Mikroskop und
                                                       Teleskop Hilfsmittel geschaffen, um dennoch in die kleinsten
                                                       und die größten Strukturen der Materie und des Lebenden
                                                       einzudringen. Dem ersten, will sagen dem unschuldigen Blick
                                                       durch ein Mikroskop, folgt zunächst einmal ein Staunen. Doch
                                                       lauert am Ende dieses Staunens ob der Vielfalt der erfassten,
                                                       sinnreichen Struktur bereits der analytische Geist, der ordnet,
                                                       gebraucht und am Ende untertan macht. Schon Aristoteles,
                                                       (384 - 322 v. Chr.) bekanntester Schüler Platons, erwähnt
                                                       in seiner Metaphysik „Die Grundlage der Philosophie ist das
                                                       Staunen”. Staunen ist in diesem Sinne das Erleben des Uner-
                                                       warteten und einer der vornehmsten Ursprünge unbefangen
                                                       aufgenommenen Wissens. Wir benutzen also beispielsweise
                                                       die Mikroskopie und Mikrofotografie um Objekte oder Subjekte
                                                       sichtbar zu machen, die von der Natur her nicht für unsere
















           Abb. 22 Kristallbilder 4, 1980, EK 02  Abb. 23 Kristallbilder 3, 1980, EK 08  Abb. 24 Kristallbilder 1, 1980, EK 10
           © Win Labuda                     © Win Labuda                    © Win Labuda

           154
   149   150   151   152   153   154   155   156   157   158   159