Page 150 - Win Labuda Bildermacher
P. 150

zu Stahls Vortrag und erfuhren eine Menge über die Arbeiten
                                                       von Claudia Fährenkemper. Die hatten uns bereits bei erster
                                                       Sicht deswegen sehr beeindruckt, weil Fährenkemper es
                                                       offenbar verstanden hatte, uns die Mikrowelt der Käfer und
                                                       Larven mit ihren Panzern und Schilden in einer Weise nahezu-
                                                       bringen, die um sie, diese stummen Lebewesen herum, eine
                                                       Welt vermuten ließ, die uns an Tragödisches erinnert und uns
                                                       danach nicht emotionslos zurück lässt; dies gilt fast noch mehr
                                                       für ihre urgestaltlichen Abbildungen von Froschlarven. Claudia
                                                       Fährenkemper hatte außerdem - genau wie Yuko Labuda - auf
                                                       das modische Nachfärben ihrer REM-Bilder verzichtet. Dies
                                                       machte uns die kleine Frau aus Castrop-Rauxel noch sympa-
                                                       thischer. Es gab damals im Bonner Kunstmuseum auch eine
                                                       Fährenkemper-Ausstellung, leider in einer Hängung, welche
                                                       viele der wahrhaft eindrucksvollen Bilder Claudia Fährenkem-
           Abb. 13 Kristallbilder 5, 1980, EK 07, © Win Labuda  pers nicht ausreichend zur Geltung kommen ließ. In Berlin
                                                       hingegen, waren die Kuratoren offenbar günstig gestimmt
                                                       Fährenkempers Bilder bekamen den „Sahneplatz“, den ihre
                                                       Werke verdient haben.

           Was uns die Mikrofotografie bedeutet        Für Yuko Labuda ist die Mikrofotografie wohl hauptsäch-
                                                       lich eine Art fortgesetzten Staunens und der Andacht an die
                                                       Vielfalt und Erhabenheit von Gottes Natur. Als Japanerin dem
                                                       Buddhismus zugewandt, konzentriert sie sich ganz und gar auf
                                                       die elektronen-mikroskopische Abbildung der Pflanzenwelt.
                                                       Es käme ihr nie in den Sinn, ein Insekt zu töten. Dabei bleibt
                                                       sie der schwarz-weiß-Fotografie verpflichtet und lässt sich
                                                       nicht dazu bewegen, ihre elektronenmikroskopisch gewonne-
                                                       nen Bildwerke modisch zu colorieren. Yuko Labuda erarbeitet
                                                       ihre Themen langsam und umsichtig. Aus unzähligen Sam-
                                                       melobjekten, die sie von ihren Streifzügen in Wald und Flur
                                                       mitbringt, wählt sie nur ganz wenige aus. So kommt es bei ihr
                                                       ganz selten zu mehr als einer Handvoll neuer Aufnahmen im
                                                       Jahr und jedes Mal, wenn sie ein Bild auswählt, ist bei uns ein
                                                       kleines Familienfest.

                                                       Ganz anders bei mir: Ich bin schnell begeistert und durchdrun-
                                                       gen von dem Wunsch, Neues auszuprobieren, fotografiere viel
                                                       und gern, und bin von Natur aus weniger wählerisch in der
                                                       Vielfalt meiner sujets und kümmere mich auch weniger um die
                                                       leider berechtigten Anliegen der Kunsthistoriker wie Ikono-
                                                       grafie, Stilbildung und Wiedererkennbarkeit. Ich empfinde
                                                       mich - ganz im Sinne der meisten Fotografen meiner Gene-
                                                       ration - als Universalist. Ich fühle mich jedoch in dieser Rolle
                                                       vom Zeitgeist nicht unterstützt und sehe mich daher gedrängt,
                                                       das Universelle meiner Arbeit diesem unfreundlichen Geist zu
                                                       opfern. Die Mikrofotografie ist mithin nur ein Teilgebiet meines
                                                       fotografischen Schaffens. Manfred Kage hat einmal gesagt:
                                                       „Also im ganz großen Sinne gesehen, interessiert es mich, die
                                                       Dinge sichtbar zu machen, die unsichtbar sind.“ Das trifft für
                                                       mich in dieser Breite nicht zu. Ich habe mich seinerzeit der
                                                       Mikrofotografie lediglich deswegen zugewandt, weil ich mit
           Abb. 14 Kristallbilder 8, 1980, EK 04, © Win Labuda  ihrer Hilfe im polarisierten Licht interessante und unverwech-

           150
   145   146   147   148   149   150   151   152   153   154   155